Feuchtevariable Dampfbremsen in der kalten Jahreszeit

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Feuchtevariable Dampfbremsen in der kalten Jahreszeit

Ingenieurbüro Kalin
Veröffentlicht von Jens Kalin in Feuchteschutz · 17 Februar 2021
Feuchtevariable Bahnen vs. 100m-Bahnen (PE-Folie)

So, wie im Blog bzgl. der Flachdächer in Holzbauweise,schon erwähnt, möchte ich in diesem Artikel über feuchtevariable Dampfbremsen informieren. Also Dampfbremsen, die den grossen Vorteil haben auf Luftfeuchtigkeit zu reagieren und ihren sd-Wert entsprechend anpassen.
Der sd-Wert wird in "m" ausgewiesen und beschreibt  eine äquivalente Luftschichtdicke, die der Wasserdampf überwinden muss. Also verhält sich eine Bahn mit einem sd-Wert von 100m, gegenüber Wasserdampfwanderung (Diffusion) so, als wären da 100m Luft. Je größer der sd-Wert umso größer der Widerstand  gegenüber Diffusion. Bitte an dieser Stelle, die Diffusion und die Luftdichtheit nicht in einen Topf schmeissen. Dies sind zwei unterschiedlich zu betrachtende Eigenschaften. Eine Dampfbremsbahn mit einem sd-Wert von 2m ist genauso luftdicht wie eine mit 100m. Im Dachgeschossausbau übernimmt die Dampfbremse i.d.R. beide Funktionen, daher wird oftmals nicht zwischen Diffusion und Luftdichtheit differenziert.

Wann nimmt man eine feuchtevariable Bahn?

Empfehlen würde ich diese feuchtevariablen Bahnen in Dachaufbauten, die nach aussen nicht oder nur gehemmt diffundieren können. Also im Prinzip Dächer mit einer Abdichtung o.ä. und keiner belüfteten Luftschicht nach der Dämmebene.
Es gab früher eine Version einer Norm (die DIN 4108-3), die nachweisfreie Konstruktionen benennt. Eine dieser Konstruktionen war ein Flachdach in Holzbauweise. Die Norm beschrieb eine PE-Folie (sd-Wert > 100m) als dampfbremsende Schicht auf der Innenseite der Dämmung. Der Hintergedanke war der, dass man der Meinung war, je mehr man auf der Innenseite die Wasserdampfwanderung "sperrt", desto weniger Wasserdampf kommt in die Konstruktion. Leider hat sich diese Theorie in der Praxis nicht wirklich bestätigt. Das Dach ist aussen dicht und innen ist eine Plastikfolie verbaut. Außen dicht und innen dicht. Die Praxis zeigt, dass über z.B. kleinste Undichtigkeiten oder Flankendiffusion immer eine gewisse Feuchtemenge in die Konstruktion eindringen kann. Da will man sie aber nicht wirklich haben, da sie auch für Schäden sorgen kann. Eine Trocknung der Konstruktion ist kaum möglich, da ja aussen und innen dicht abgeschlossen ist. Jetzt kommen die feuchtevariablen Bahnen ins Spiel. Sollte anstatt der PE-Folie nun eine feuchtevariable Dampfbremsbahn verbaut worden sein, entsteht eine gewisse Rücktrocknung in den Raum hineien. Aufgrund der z.B. Sonneneinstrahlung auf dem Dach in Verbindung mit der ungewollt vorhandenen Feuchtigkeit , entsteht in der Dachkonstruktion eine hohe Luftfeuchtigkeit. Diese ist der Grund warum die feuchtevariable Bahn nun ihren sd-Wert senkt. Die Bahn reagiert auf Luftfeuchtigkeit. Mit einem niedrigen sd-Wert, stellt die Bahn ja nicht mehr so ein grosses Hinderniss für die Wasserdampfwanderung dar, daher kann die Konstruktion nun in den Raum zurücktrocknen.  Da die Sonneneinstrahlung nicht unwichtig dabei ist, funktioniert diese Rücktrocknung im Sommer am Besten.

Ist die teurere feuchtevariable Bahn pauschal immer die beste Wahl???

Für einige Dachkonstruktionen ist die feuchtevariable Bahn für die Nutzungsphase klar die beste Wahl. Aber nur weil die Bahn etwas teurer ist, hat sie keine pauschale erhöhte Sicherheit eingebaut. An den Umgang mit diesen Produkten werden auch Anforderungen geknüpft. Ihre einzigartige Funktion auf Luftfeuchtigkeit zu reagieren, kann sich bei einer unzureichenden Planung des Bauablaufes auch kontraproduktiv auswirken. Wie oben beschrieben hat sie ihre Vorteile im Sommer, was den Umkehrschluss zulässt, dass man im Winter genauer hingucken muss. Denn da möchte der Wasserdampf gerne hinaus. Die Dampdruckverhältnisse haben sich gedreht und aus einer Rücktrocknung nach innen, kann eine Wanderung in die andere Richtung erfolgen. Sehr kritisch dabei sind Rohbauten im Winter, bei denen die Dämm- und Dichtarbeiten ausgeführt wurden und der Putz und Nassestrich noch folgen. Es wird also eine enorme Menge Wasser in den Baukörper transportiert und im Dach befindet sich eine Bahn, die auf Luftfeuchtigkeit reagiert, na toll. Je höher die Luftfeuchte desto mehr öffnet die Bahn, na sehr toll. Bedeutet also, dass  die Möglichkeit besteht, dass die Baufeuchte durch die feuchtevariable Bahn in das Bauteil eindringt, durch die Dämmung wandert und dann auf eine Holzschalung trifft, die i.d.R. im Winter kalt ist. Auf dieser Oberfläche entstehen dann Wassertropfen und das Unheil beginnt, na toll.

Also Achtung bei folgenden Randbedingungen:

- rel. Luftfeuchten > 75%
- hohe Materialfeuchte (Holzfeuchte der Konstruktion und Schalung < 20%)
- Einbautemperaturen unter 5°C

Holzfeuchte

Bevor eine Dachkonstruktion gedämmt und luftdicht hergestellt wird, sollte eigentlich immer, aber auf jedem Fall in den kälteren Jahreszeiten, eine Kontrolle der Materialfeuchte erfolgen. In den meisten Fällen bedeutet dies, dass man die Holzfeuchte der Dachkonstruktion messen sollte. Ist diese Holzkonstruktion schon mit einer erhöhten Materialfeuchte versehen und man dichtet dieses Bauteil ab, sperrt man die Feuchtigkeit in der Konstruktion ein. Abgedichtete Dächer sind hierbei wieder sehr kritisch, da diese Feuchte nicht nach aussen abgegeben werden kann. Bei Vollholz sollte der gemessene Wert unterhalb von 20% und bei Holzwerkstoffplatten unterhalb von 18% liegen.

Trocknung

Bei erhöhten Baufeuchten ist in erster Linie auf eine gute Trocknung zu achten. Also auch im Winter bitte die Fenster auf machen und lüften. Es ist im Winter wesentlich leichter, über eine gute Lüftung, die Feuchtigkeit aus dem Bau zu bekommen. Sollten Heizgeräte auf der Baustelle vorhanden sein, bitte nicht mit Gasheizgeräten arbeiten, da bei der Verbrennung ebenfalls Wasserdampf entsteht und die Luftfeuchte somit weiter erhöht wird.
Aber: Das Lüftungsverhalten bitte mit dem Estrichleger abstimmen, da es in der Trocknungsphase von Heizestrichen, evtl. zeitliche Abschnitte gibt, wo man die Fenster evtl. sogar geschlossen halten muss. Hier muss der Planer einen sinnvollen Ablauf finden. Wenn man nämlich die Fußbodenheizung anstellt um den Estrich zu trocknen, entsteht eine enorm hohe Luftfeuchtigkeit, die tlw. nicht zu schnell abgeführt werden darf. Hier wird es also im Bezug auf eine feuchtevariable Bahn echt kritisch.

Temporärer Schutz der Konstruktion

Ist dennoch nach der Verlegung der Dämmung und der feuchtevariablen Bahn eine erhöhte Baufeuchte in der kälteren Jahreszeit zu erwarten, sollte man die Konstruktion mit einer zusätzlich zu verlegenden Bahn, mit einem hohen Sperrwert (z.B. sd-Wert > 100m), temporär schützen. Erst wenn das Raumklima wieder auf einem relativ normalen Wert liegt, sollte diese sperrende Bahn wieder zurückgebaut werden. Der Baukörper wird während seiner Nutzungsphase sehr wahrscheinlich derart hohe Feuchtigkeiten wie in der Bauphase nicht mehr erfahren.

Fazit:

Eine feuchtevariable Bahn ist bei einigen Konstruktionen während der Nutzungsphase unerlässlich. Jedoch muss, und nicht nur in der kalten Jahreszeit, eine genaue Planung, u.a. des Bauablaufes erfolgen. Die DIN 4108-7 beschreibt diese Planung mit u.a. folgenden Hinweisen:
- Die Luftdichtheitsschicht ist sorgfältig zu planen, auszuschreiben und auszuführen
- Die Arbeiten sind zwischen den Beteiligten am Bau zu koordinieren
- Baumaterialien dürfen nicht in unnötiger Weise mit zu hoher Luftfeuchtigkeit während der Bauphase belastet werden. Es ist daher für eine ausreichende Entlüftung zu sorgen.
- Die Durchführung der Innenausbauarbeiten muss so aufeinander abgestimmt sein, dass keine schädliche Feuchtigkeit in der Konstruktion eingeschlossen wird. Dies muss entweder durch geeignete Maßnahmen, wie z.B. Luftenfeuchter, Heizgeräte oder durch einen zeitlich sinnvollen Ablauf der verschiedenen Gewerke sicher gestellt sein.

Alle aufgeführten Hinweise und Empfehlungen bleiben  ohne Gewähr, da eine luftdichte Ebene immer objektspezifisch geplant werden sollte!!!!!

Viel Glück beim Bauen!!!!




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